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Tango mit Celi

Sein musikalisches Credo hat er selten zutreffender formuliert: "Was ist ein Konzert?", fragt er vor laufender Kamera und gibt die Antwort selbst: "Eine Einladung, dieselben Reduktionen zu erleben wie ich."

Intime Verbundenheit spürt man auch bei Serge Ioan Celibidachis "Der Garten des Sergiu Celibidache". Das 1996 entstandene Filmportrait seines Vaters liefert keine Abfolge biographischer Daten. Die sind in der DVD Version ohnehin über interaktive Menüs abrufbar. Der Film ist eher ein Mosaik aus Lebenssituationen. Ein subjektivgefärbter Blickwinkel ist dabei immer zu spüren - egal ob bei Proben und Konzerten im Münchner Gasteig, beim Füttern von Schwänen auf Celibidaches Landsitz oder beim Unterricht am Pariser Konservatorium. Die Verzahnung dieser Ebenen bleibt relativ geradlinig und simpel. Wer cineastisches Raffinement und knifflige Filmarchitektur erwartet, der wird enttäuscht werden. Vielleicht entspricht aber gerade das der Grundhaltung Celibidaches, der ja immer wieder betont hat: "Erleben" ist die essentielle musikalische Erfahrung und nicht "denken".

Dass die 150 Minuten trotzdem nicht zu lang werden, liegt sicher auch an der dokumentierten Musik: Mozarts "Requiem" und Bartoks "Konzert für Orchester" wurden selten zwingender modelliert. Und natürlich beeindrucken die Passagen aus Bruckners Neunter. Mit den Schlusstakten ihres Adagios, aufgenommen in einem Konzert im Münchner Gasteig, endet der Film.

Auch in "Celibidache - In Rehersal" spielt der Gasteig eine Hauptrolle. Dennoch beginnt der Film woanders, mit einer von Celis ungewöhnlichsten Proben: "Die Pauken gehen nach links. Ein bisschen sparen ... So eng wie möglich!" Nicht nur für Celi Fans ist klar: Um Partiturdetails geht es hier nicht. Klanglich war in seinen Interpretationen ja selten etwas eng. Aber der Kirchenraum von St. Florian, wo Bruckner selbst als Organist tätig war, der war eng, als Celibidache dort 1993 die f-Moll Messe aufführte.

Jan Schmidt-Garre war mit der Kamera dabei. Seine Dokumentation zeigt die Einstudierung im Münchner Gasteig, die Stellproben, das anschließende Konzert; alles ohne Kommentar eine Abfolge etlicher kleiner Szenen also. Aber das heißt keineswegs, dass sein Streifen ein zusammenhangloses Gewirr von Archivmaterial ist; eher ein gefühlvolles Stimmungsbild, das einen am Mitdenken hält. Schmidt-Garre arrangiert die drei Erzählebenen nämlich nicht stringent von der ersten Probe bis zur Aufführung, er mischt sie. Dadurch entsteht ein ruhiger, deshalb aber nicht spannungsarmer Fluss. Schade nur, dass man über die Arbeit mit den Solisten so wenig erfährt. Zu entdecken gibt es trotzdem viel: Celibidaches liebevollen Umgang mit "seinen" Philharmonikern; aber auch, was er sich bei der Interpretation gedacht hat. Der Beginn des "Kyrie" ist für ihn nicht nur klingende Metaphysik: "Warum so sentimental? Tango ist das ... Ohne jede Form von Fett." Und ob das nun eine Reduktion ist oder nicht, das ist im Hinblick auf die emotionale Intensität der Musik reine Nebensache.

Oliver Wazola (FonoFoum März 2002) ©Copyright FonoForum

Der Garten des Sergiu Celibidache
Regie: Serge Ioan Celibidachi
absolut Medien DVD Dokumente 702

Celibidache - In Rehersal
Bruckner, Große Messe Nr. 3 f-Moll
Margaret Price, Doris Soffel, Peter Straka, Matthias Hölle, Hans Sotin, Philharmonischer Chor München, Münchner Phiharmoniker, Sergiu Celibidache
Regie: Jan Schmidt-Garree (1993)
Arthaus/Naxos 100 250

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